Baltikum 2

Nach einem kleinen Umweg über eine Wellblechpiste und durch den Hinterhof eines Wohnhauses, welcher uns eigentlich zu einer beschriebenen Sehenswürdigkeit, den „Seashore-Cliffs“ führen soll, stehen wir bald in Riga auf dem praktischen City-Camping. Die Cliffs sind ebenso enttäuschend wie alles Sehenswerte was im Lettlandführer beschrieben ist. Ein paar Steine, am zwar schönen, wilden Strand, sind alles was wir hier zu sehen bekommen haben.

Da es tags darauf in Strömen regnet, lassen wir uns Zeit mit dem Spaziergang in die Altstadt. Gegen Mittag schaffen wir es dann doch, die 2 Kilometer trocken zurückzulegen. Die Hauptstadt von Lettland ist zugleich die grösste Stadt im Baltikum. Als alte Hansestadt ist sie berühmt für ihre Jugendstilbauten und ist, wie so vieles hier, auf der Liste der UNESCO Welterben zu finden. Der prächtige Marktplatz mit dem Schwarzhäupterhaus, ehemals 1334 erbaut, wurde jedoch von den Sowjets zerstört. 1999 rekonstruierte man alle alten Gebäude und sie wurden wieder aufgebaut. So sind auch der Dom, die St. Petri Kirche und die orthodoxe Christ-Geburt-Kathedrale nicht mehr im originalen Zustand. Die vielen Gassen bieten genug Gelegenheit sich mit lettischer Wollkleidung, wie Socken, Mützen und Schals einzukleiden. Leider beginnt es schon wieder zu nieseln, was dem Shopping seinen Reiz ein wenig nimmt und wir machen uns auf den Heimweg.

Das Tanz- und Sängerfestival, welches alle fünf Jahre hier durchgeführt wird, ist gerade in vollem Gange. Chorwettbewerbe und Tanzvorführungen werden im grossen Park durchgeführt. Tänzer und Sänger aus dem ganzen Land finden sich zu diesem Anlass hier ein und lassen in ihren Trachten die Volksmusik erklingen.

Als wir am Võrtsjarvsee in Estland ankommen, bietet sich uns auch hier ein etwas trostloser Anblick, denn es regnet auch hier. Der Platz ist eher bescheiden. WC und Dusche finden wir in einem kleinen Holzhäuschen. Naja, wir stehen im Nirgendwo in Estland. Die sanft hügelige Landschaft ist unverbraucht und naturbelassen, das Land dünn besiedelt. Der See ist der zweitgrösste Binnensee im Baltikum. Mit einer Fläche von 270 km2 ist er trotzdem an seiner tiefsten Stelle nur 6 Meter tief. Das Wasser ist braun und sandig. Es ist kalt, sogar unser Basilikum scheint schon erfroren zu sein…

Da Estland nicht gerade mit viel Sehenswertem übersät ist, nehmen wir alles was irgendwo am Weg liegt, mit. So landen wir in Narva, der drittgrössten Stadt in diesem Land, welches gerade mal 1,3 Millionen Einwohner zählt. Narva liegt direkt an der russischen Grenze. Wir besuchen die Herrmann-Festung, welche im 13. Jahrhundert von den Dänen erbaut wurde. Etwas später wurde die Festung an einen deutschen Orden verkauft und nach dessen Auflösung ging sie in schwedischen Besitz über. Im 2. Weltkrieg wurde die Festung fast völlig zerstört, jedoch auch diese wurde rekonstruiert und wieder aufgebaut. Direkt gegenüber, am anderen Ufer des Grenzflusses, liegt die russische Festung „Iwangorod“. Eine Brücke verbindet die beiden Festungen. Früher die Freundschaftsbrücke, heute trennt sie zwei Welten.

Wir sind wieder am Meer, an der wilden, schönen Ostsee. Durch unberührten Urwald, den Lahema Nationalpark, kommen wir nach Tallin, wo etwas ausserhalb der Stadt ein Campingplatz angeboten wird. Eine holländische Reisegruppe, mit 17 Campern, baut ihr Camp auf der Wiese neben uns auf. Mit dem Zug erreichen wir am nächsten Tag bequem die Hauptstadt von Estland. Das Zentrum bildet der Rathausplatz mit dem schönen Rathaus aus dem 13. Jahrhundert. Auf dem Markt ist alles Estnische zu haben. Ebenfalls können wir hier eine der ältesten, noch tätigen Apotheken besuchen. Seit 1422 schon ist sie ununterbrochen in Betrieb und bietet viele seltsame Kräutermischungen an. Die, zum grossen Teil gut erhaltene Stadtmauer ist jedoch der Stolz von Tallin. Einst war sie 2,35 Kilometer lang, 14 Meter hoch und 2-3 Meter dick und hatte 26 Türme, sowie sechs Tore. Heute kann man immer noch 1,85 Kilometer der Mauer besichtigen. Ferner sind viele Kirchen, sowie die russische Kathedrale zu sehen. An dieser jedoch haben die Estländer keine Freude, denn sie gehört auch heute noch der russisch-orthodoxen Religion an. Die Stadt selbst hat eine lange Geschichte. Davon jedoch erwähnenswert scheint, dass die Amtssprache bis 1889 Deutsch war. Zwar eroberte 1710 der russische Zar Peter I. die Stadt und sie war bis 1918 in russischer Hand, die Deutschen durften jedoch das Stadtrecht behalten, da sie die Oberschicht darstellten und erfolgreich Handel betrieben. Das seit 1918 nun freie Estland wurde 1939 abermals von den Russen erobert bis 1991 wieder die Unabhängigkeit ausgesprochen wurde.

Wir verbringen einen gemütlichen Tag, mit einem exzellenten, sehr teuren Essen, in der Altstadt, besuchen die vielen Kirchen und erfreuen uns am prächtigen Wetter. Wohlbehalten bringt uns der Zug am Abend wieder nach Saue, von wo aus wir die 1.5 km zu unserer Morla zurückspazieren.

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